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#Lesestoff

09.02.2021

1824 war Dionysios Solomos, ein 26-jähriger Bürger der Vereinigten Staaten der Ionischen Inseln, bereits ein berühmter Dichter. Erst zwei Jahre davor hatte er angefangen, Gedichte auf Griechisch und nicht mehr auf Italienisch zu schreiben, 1823 wurde seine Hymne an die Freiheit, aus der später die griechische Nationalhymne hervorging, publiziert und sofort beliebt. Solomos sollte „der Dante des griechischen Parnass“ werden, so das Zitat seines Freundes Spyridon Trikoupis. Fester Bestandteil einer solchen Rolle ist auch die Etablierung einer Nationalsprache. Der junge Dichter und romantische Patriot konnte sich nicht zufriedengeben mit der altgriechisch gefärbten Gelehrtensprache und bemühte sich um eine Sprache, die sich an das gesprochene Griechisch anlehnte, in dem allerdings seit Jahrhunderten keine nennenswerte Literatur verfasst  worden war. Sein 1824 verfasstes Gespräch zwischen einem Dichter, seinem Freund und einem pedantischen Gelehrten ist eine Art Manifest für ihn und weitere Intellektuelle, die eine neue literarische Sprache aus der einfachen, gesprochenen formen wollten, und wurde 1943 von Rudolf Fahrner, dem damaligen Leiter des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Athen, ins Deutsche übersetzt.
(Weiteres über Rudolf Fahrner können Sie im Gedenkband Rudolf Fahrner - Ein Leben und Werk im Zeichen von Stefan George, Hg. von Stefano Bianca und Bruno Pieger lesen.)

Με αφορμή τη Διεθνή Μέρα για την Ελληνική γλώσσα, αναδημοσιεύουμε τον Διάλογο του Διονύσιου Σολωμού του 1824, στη γερμανική μετάφραση του 1943 από τον τότε διευθυντή του Γερμανικού Επιστημονικού Ινστιτούτου Ρούντολφ Φάρνερ.

Autograph aus dem “Dialog”

Autograph aus dem “Dialog”
Bildquelle: Solomos-Museum, Zakynthos (http://zakynthos-museumsolomos.gr/o-dialogos.html)

GESPRÄCH 

 A voce piu ch’al ver drizzan li volti
E cosi ferman sua opinione
Prima ch’arte o ragion per lor s’ascolti.
DANTE
Fegefeuer XXVI. Gesang 

 

FREUND: Nach so vielen Gesprächen hast du dich selbst vergessen, hinüberblickend nach Morea. 

DICHTER: Auch du musst dich vergessen haben, da du mir gar nicht mehr gesprochen hast. Wir haben wohl derselben Dinge gedacht, beide. Drei Stunden mögen vergangen sein seit die Sonne die Himmels­mitte überschritt, noch fehlen vier bis die Gewässer dunkel werden und wenn du willst können wir uns niedersetzen auf diesen Felsen und wieder anfangen. 

FREUND: Setzen wir uns.. süss der Geruch der See, süss die Luft und der Himmel wolkenlos. 

DICHTER: Ganz glatt ist die See, die Luft sehr fein und wer hin­überfahren möchte nach Morea, könnte die Reise nicht tun, ohne dass ununterbrochen die Ruder schlügen. 

FREUND: Was ist dir lieber, die Ruhe des Meeres oder der Aufruhr? 

DICHTER: Dass ich dir die Wahrheit sage, mir hat immer die Stille gefallen, die sich am reinsten breitet. Ich habe sie betrachtet wie das Bild des Menschen, der sich entfernt von der Unruhe der Welt und mit Aufrichtigkeit offenbart, was er in sich trägt. Aber seit unsere Schif­fe vorbeizogen nach Missolongi zu fahren, gefällt mir der Aufruhr noch mehr. Zwei und zwei, drei und drei sind sie erschienen, und du schau­test die Mastbäume weiss von den geblähten Segeln, weiss von dem zersprühten Schaum die Wogen, die mit einem Rauschen, das du ein Rauschen der Freude nennen würdest, hinjubelten in die Ionische See und zerschellten am Strand von Zakynthos. 

FREUND: Ich entsinne mich gut und so gross war der Schall, so stark das Auf und Nieder der See, dass ich dich wegzog damit wir dem Regen entgingen den das Meer über uns sprühte. 

DICHTER: Es scheint dass da drüben die Unsern weniger scheuen sich mit ihrem Blute zu besprengen, als wir, uns mit den wenigen Meeres­tropfen zu befeuchten. 

FREUND: Wieder bist du daran nach Morea hinüberzuschauen und zu verstummen.. und doch weiss ich das Mittel dich reden zu machen wann ich will. 

DICHTER: Du willst  ̶ ich verstand  ̶ dass wir über die Sprache reden: habe ich denn andres in meinem Sinn als Freiheit und Sprache? Jene tritt schon über Türkenköpfe, diese wird bald über die der Wort­gelehrten hinwegschreiten, und danach werden beide Arm in Arm die Strasse des Ruhmes wandeln, ohne je sich umzublicken wenn ein Wort­gelehrter krächzt oder ein Türke bellt, denn für mich sind sie gleich, diese beiden. 

FREUND: Sicher sind sie uns feind die beiden.. du machst mich der Worte Lockes gedenken: >Die Sprache ist ein grosser Strom, in den alles was der Mensch kennt einmündet, und wer sie nicht gebraucht wie es ziemt, schneidet willkürlich die Wege des wahren Sinnes ab oder versperrt sie. Wer das nun tut mit wohlbedachtem Entschluss, den müssen die anderen für einen Feind der Wahrheit und des Wissens halten<. 

DICHTER: Was meinst du: Wie lang wird das noch weitergehen, dass einige Wenige glauben, sie könnten ein Volk, das in seiner Art spricht, in ihrer Sprache reden machen? 

FREUND: Eine Weile wird dies noch sein. Die Wahrheit ist eine gute Göttin, aber die Leidenschaften des Menschen halten sie oft für eine Feindin. Manche kennen die Wahrheit, aber da sie in jener dunk­len Art schreibend etwas wie einen Ruf der Weisheit erlangten, folgen sie ihr weiter und möge sie auch noch so irrig sein. 

DICHTER: Also sind sie wert dass man sie Menschen vergleiche, die um zu leben Gift verkaufen. 

FREUND: Vorzüglich beschreibt die Werkstatt von ihrer einem Shakespeare und ich will dir seine Worte in Erinnerung rufen, denn sie mahnen mich an die Art, in der die Bücher der Wortgelehrten geschrieben sind: >Es hingen herab von der Decke dieser trübseligen Werkstatt eine vertrocknete Schildkröte, ein strohgestopftes Krokodil und andere Häute hässlicher Fische. Da waren ringsumher viele Schub­laden, leere mit Aufschriften, Gefässe von derbem grünem Ton, da waren Blasen, altgewordene verstaubte Kräuter, verschrumpfte Binsen­bündel, alte Überbleibsel verschiedener Arzneien, weitausgestreut hier und dort, den Käufer zu locken<. 

DICHTER: Ich sehe von weitem einen Wortgelehrten kommen. Ich wünsche für meine Ruhe, für die deine und für die seine, dass er sich uns nicht nähere. 

FREUND: Ich wünschte es. Du erzürnst dich zu sehr. 

DICHTER: Ich zürne weil ich gezwungen bin Dinge wieder zu sagen, die andere Völker so viele Male gesagt haben und wieder zu sagen ohne Nutzen. Die Franzosen führten den Kampf um die Sprache und er endete zu D’Alamberts Zeiten. Die Deutschen führten ihn und Opitz gab ein Beispiel des Rechten. Die Italiener führten ihn und mit solcher Hartnäckigkeit, dass nicht einmal das Beispiel des Höchsten Dichters genügte, sie für damals zu überzeugen. Doch sie beruhigten sich endlich die wissenden Nationen und schrieben die Sprache ihres Volkes, und anstatt dass jene erbärmlichen Unruhen uns ein Bei­spiel wären, sie zu fliehen, sind wir in schwerere Irrtümer gefallen. Wollten doch am Ende die Wortgelehrten jener Nationen, dass man eine Sprache schreibe, die einmal lebendig war auf den Lippen der Menschen  ̶ freilich auch das ein schlechtes Beginnen und wäre es auch wirklich möglich  ̶ aber die unseren wollen, dass wir eine Sprache schreiben, die niemand spricht, die niemand je gesprochen hat und die man niemals sprechen wird. 

FREUND: Der Wortgelehrte kommt auf uns zu. 

DICHTER: Guten Empfang mit deiner Geduld! Ich will keine Worte mit ihm. Schau wie er läuft! Sein Kinn erhebt die Spitze, als wenn es sich mit der Nase vereinigen wolle. O, dass die Vereinigung gelänge und so fest, dass er den Mund nicht mehr auftun könnte, die Nation zu erleuchten! 

WORTGELEHRTER: Ich habe die Welt verzehrt, Bester, damit ich dich finde. Geeilt bin ich, wie es die Pflicht eines vaterländischen Mannes ist zu eilen, wenn der Ruhm der Nation in Gefahr ist. Ein Buch soll gedruckt werden, schon bald, geschrieben in der Sprache des Volkes von Hellas, das Schlechtes sagt über uns die Gelehrten, und das kränkt mich. 

FREUND: Warum kränkt es dich? 

WORTGELEHRTER: Weil viele Hirne richtig sind und viele nicht, und die nicht richtig sind können getäuscht werden. Soviele Jahre sind es, da ich mich mühe zum gemeinen Wohl meines Vater­lands und ich möchte nicht, dass andere hervortreten, mir die Menschen zu verblenden. Ich bin zu Dir gekommen, weil auch du ein Gelehrter bist, damit wir uns vereinigen mit allen Wohldenkenden und diesen barbarischen Schriftsteller zu Boden strecken. 

FREUND: Und wer ist der Schriftsteller? 

WORTGELEHRTER: Sie haben mir seinen Namen nicht genannt. Sie haben gesagt, dass es ein Junger sei, der immer das Schwert in der Hand halte für die gemeine Sprache, und nach der Grösse der Wut könnten wir sagen, er sei ein neuer geisselschwingender Aias geworden. 

DICHTER: Also wahre dich, damit es nicht dahin kommt, dass auch er in seinem Zorn Schafe tötet und sich in Schande bringt. 

WORTGELEHRTER: Soll er sich doch in Schande bringen. Nicht um ihn, um das gemeine Wohl bin ich in Sorge. 

DICHTER: Und um was für ein Wohl? 

WORTGELEHRTER: Scheint dir die Sprache ein geringes Wohl? Mit der Sprache wirst du jedes Ding lehren. Also musst du zuerst die rechten Worte lehren. 

DICHTER: Wortgelehrter, die Worte lehrt der Schriftsteller nicht, er lernt sie vom Munde des Volks. Das wissen auch die Kinder. 

WORTGELEHRTER (Mit grosser Stimme): Kennst du das Hel­lenische, Herr? Kennst du es? Hast du dich von klein auf darum bemüht? 

DICHTER (Mit grösserer Stimme): Kennst du die Hellenen, Herr? Kennst du sie? Hast du dich von klein auf um sie bemüht? 

FREUND: Brüder, sprecht nicht so laut. Wir sind auf der Strasse und die wirkliche Weisheit sagt ihr Recht mit Grossmut und ohne Zürnen. 

WORTGELEHRTER (Die Stimme mindernd und bemüht, gross­gemut zu erscheinen): Wahrlich, Freund, so hat es auch Sokrates getan. 

DICHTER: Ganz und gar nicht anders. Behalte diesen Namen im Gedächtnis, denn es könnte sein, dass wir seiner bedürfen. Indessen sage ich dir von neuem: der Lehrer der Worte ist das Volk. 

WORTGELEHRTER: Sehr seltsam scheint mir das. Einer der Weisesten unserer Nation hat geschrieben, wir müssten wenn wir mit den Worten des Volkes schreiben auch denken mit seinen Gedanken. 

DICHTER: Das sind schiefgewachsene Kinder eines wohlgestalten Vaters. Condillac hatte gesagt∙ dass das Wort das Zeichen des Ge­dankens sei, nie aber hatte er sich vorgestellt dass alle die dieselben Worte gebrauchen auch dieselben Gedanken hätten. Die Münzen in dem Lande in dem du lebst haben denselben Preis, und dennoch haben sie in meinen Händen keinen Wert, weil ich sie nicht auszugeben weiss, in deinen Händen gelten sie etwas mehr, weil du weisst wie du sie sparst, und in den Händen eines Dritten wuchern sie in kurzer Zeit. Wäre das Gesagte wahr, so müssten alle Menschen eines Landes die­selben Gedanken haben, aber sie unterscheiden sich in ihnen so wie sie sich in den Gesichtern unterscheiden, und wenn zum Unheil der Ge­schlechter ein Wortgelehrter dem Wahnsinn verfiele, so ist es wahr­scheinlich, dass sich seine Verrücktheit mit denselben Worten entlüde, mit denen er zu sprechen gewohnt war  ̶ und doch: wäre es deshalb richtig, wenn ich sagte, er dächte wie du? 

WORTGELEHRTER: Dies Letzte hast du verständig gesprochen. Aber dass wir die Worte des Volks gebrauchen, ist ein unbekanntes Ding. 

DICHTER: Das Gegenteil ist unbekannt. In welchem Zustand be­finden wir uns, in welchem Zustand befindet sich unsere Sprache? Ist denn schon ein grosser Dichter erschienen, dass er uns ein Beispiel wäre, der ihre Worte wahrhaft geadelt hätte, Bilder und Leidenschaften mit ihnen malend? 

WORTGELEHRTER: .. Wie Homer sicher nicht. 

DICHTER: Sehr hoch bist du gesprungen, Freund! Sag du mir also, was sollen wir tun? 

WORTGELEHRTER: Wir müssen eilen zu den alten Gestalten hellenischer Worte, nehmen soviel wir können und einige von den unseren, die die Alten nicht hatten, zurückführen in die alte Gestalt. 

DICHTER: Warum? 

WORTGELEHRTER: Weil diese Worte die edleren sind. 

DICHTER: Sprich die Wahrheit: ist dein Gewissen unversehrt, da du mir dieses sagst? 

WORTGELEHRTER: Unversehrt, bei der Liebe des Helikon! 

DICHTER: Schauerlicher Eid! Und sei sicher dass er mir die Ein­geweide bewegt. Aber ich sage dir, dass du dein Urteil verschüttet hast durch die Mühe die du dir gabst jene Worte zu lernen, und da ich sehe dass ihr alle die Nation mit der Fibel in der Hand zu erleuchten hofft, so frage ich dich: welche Fibel ist edler, die unsere oder die italienische? 

WORTGELEHRTER: Was die Buchstaben betrifft, so haben sie in jeder Fibel denselben Adel. 

DICHTER: Das heisst: sie haben keinen von sich aus. Wenn sie zerstreut sind und durcheinander geworfen, was drücken sie aus? Es kommt der Setzer, wählt sie aus, ordnet sie und das Auge liest: Him­mel, Markos Botzaris, Wortgelehrter. Beim ersten Wort beuge ich mein Haupt, Tränen steigen mir auf beim zweiten und beim dritten lache ich für Jahre... Dasselbe kannst du auch von den Worten sagen: ihr Adel hängt ab von der Kunst, mit der du sie brauchst! 

WORTGELEHRTER: Was für eine Kunst du auch anwendest, die Worte des heutigen Hellas sind verdorben... was schaust du mich an ohne zu reden? 

DICHTER: Ich schaue die weissen Haare deines Kopfes an. 

WORTGELEHRTER. Doch was haben sie mit den Worten zu tun? 

DICHTER: Sie haben mit der Zeit zu tun. Die Zeit, die begonnen hat dir die Haare ehrwürdig zu machen, verdirbt alle Dinge der Welt, selbst die Sprachen, beruhige dich. 

WORTGELEHRTER: Welchen Adel können unsere Worte haben, wenn sie verdorben sind? 

DICHTER: Den Adel, den die englischen hatten, eh Shakespeare schrieb, den die französischen hatten, eh Racine schrieb, den die grie­chischen hatten, ehe Homer gedichtet, und sie alle gebrauchten die Worte ihrer Zeit. Notwendig hat jede Sprache Worte aus früheren Sprachen und der Adel der Sprachen ist wie der Adel der Menschen: Adlig du, adlig dein Vater, dein Grossvater adlig, aber wenn du weiter gehst findest du sicher den Menschen der Schafe weidend die Flöte blies. 

WORTGELEHRTER: Ich sage nicht, dass wir das eigentlich Hel­lenische schreiben sollten, obwohl wir tausend Gebete beten müssten, auf dass jene Worte wieder lebten.  

DICHTER: Ich verliere die Zeit mit keinem, und wäre ich auch sicher, das Leben Methusalems zu leben, so würde ich doch den Mund nicht auftun für solche Gebete, die denselben Nutzen bringen wie das Weinen bei den Körpern der Toten. Die Gebete, die ich tue, wollen dass die Weisheit wieder lebe und die Weisheit wird nie wieder leben, solange ihr in eurer Art schreibt. Ich habe immer das Unglück gehabt mit Sokrates die Worte wie Hammerschläge zu spüren, und wie das Ohr des Pythagoras beim Klang des Hammers in der Schmiede so wird Dein Ohr wissend bei den alten Worten, Meines und das der Nation bei den heutigen. 

WORTGELEHRTER: Und wer kann mich hindern, dass ich unsere Worte mit den Formen der alten Sprache verbessere, wie Korais es will? 

DICHTER: Mit welchem Recht willst du eine solche Verbesserung machen? 

WORTGELEHRTER: Weil eine junge Sprache unter der Führung ihrer Mutter gebessert werden muss. Ganz Griechenland sagt ΜΑΤΙ  ̶ wir müssen verbessern und sagen OMMATΙOΝ, es sagt ΚΡΕΒΑΤΙ  ̶ wir müssen sagen ΚΡΕΒΑΊΊΟΝ. 

DICHTER: Dieser Vorschlag gleicht der Verrücktheit einiger Men­schen, die den Anschein der Klugheit haben. 

WORTGELEHRΤER: Was willst du damit sagen? 

DICHTER: Ich will damit sagen, dass der Vorschlag ob er gleich einiges Recht zu enthalten scheint, wenn du ihn näher prüfst gar kei­nes enthält und im Gegensatz steht zu den Beispielen der anderen Völker. 

WORTGELEHRTER: Ich wünschte, dass du mir das bewiesest. 

DICHTER: Mit Freude beweise ich es dir und um so williger, da ich denke, dass das die erste Grundmauer ist auf der sich das grosse Gebäude eurer Sprache erhebt, die mit deiner Erlaubnis eine sehr bar­barische ist wie ich dir gleich zeigen werde. Die Verderbnis der Wort­gestalten, sagt Guibelaine, ist dreierlei: entweder ändern sich die selbst­klingenden Laute oder die mitklingenden Laute, oder die Laute die ein Wort bilden ändern ihre Stelle. Das geschieht in jeder Sprache die aus einer andren geboren wird. Betrachte die Sprache der Lateiner, die Sprache der Spanier, die Sprache der Franzosen, die Sprache der Ita­liener, vergleiche sie mit der Sprache die sie geboren hat und du wirst sehr klar die Wahrheit sehen die ich dir sage. Nehmen wir den ersten Vers Dantes und verbessern wir ihn nach der bei euch gebräuchlichen Weise: nel mezzo del cammin di nostra vita. Die italienische Sprache ist nicht eigentlich eine Tochter der lateinischen, sie ist ihre Enkelin. Machen wir die Verbesserung mit derselben Geschicklichkeit mit der ihr sie an eurer Sprache versucht: nel ist barbarisch, wir müssen sagen >in<, mezzo  ̶ jene beiden zz sind barbarisch, wir müssen sagen >medio<, del  ̶ nichts, cammin  ̶ sitz und sinne woher es kommt! Aber es bedarf des Adels also machen wir es lateinisch >cammini<, nostra  ̶ wir müs­sen sagen >nostrae<, vita  ̶ wir müssen sagen >vitae<. Siehe, verbessert der Vers und erleuchtet die Nation: in medio cammini nostrae vitae. 

WORTGELEHRTER: Das ist lächerlich. 

DICHTER: Und euer Tun ist es etwa von andrer Art? Es ist das gleiche ganz und gar, und so unsinnig wäre Dante gewesen, dass nicht auch er gewusst hätte wie er dergleichen Besserungen mache an seiner Sprache? Seine lateinischen Verse sind freilich nicht schön, aber mit Vergil den er ganz in seinem Sinn hatte, wäre er wohl im Stande gewesen solche Verbesserungen zu machen. Warum haben sie die Franzosen nicht gemacht? Warum haben sie die Lateiner nicht ge­macht? Und wie hatten sie sie machen können? Nehmen wir das letzte Wort und schauen wir ob es jemals unbarbarisch werden kann: wir sagten vitae statt vita, aber wird es auf solche Weise von Barbarei be­freit? Nein, Wortgelehrter, die Gestalt des Wortes ist von einer Barbarei in die andere gefallen. Auch dieses, das vitae, ist verdorben aus deinem wunderbaren hellenischen ΒΙΟΣ und ΒΙΟΣ ist also die Urgestalt und die wahrhaft edle? Wer hat das gesagt? Wer weiss es dir zu sagen? Das ΟΦΙΣ das du sicher für edler hältst als ΦΙΔΙ, das ΟΦIΣ, sage ich, ist mit soviel andren Worten nicht einmal hellenisch, denn das ΟΦ ist fremd und nur seine Endung ist hellenisch. Und so wie du siehst Wortgelehr­ter, langsam langsam zwinge ich dich die Sprache Adams zu sprechen. Und wenn du mir dann mit Dante singen kannst: la lingua ch’ei parlo fu tutta spenta, so antworte ich dir: du musst mit Zeichen sprechen damit du nicht barbarisch sprichst. 

WORTGELEHRTER: Und nun? 

DICHTER: Und nun: des Volks von Hellas alle Worte... 

WORTGELEHRTER (Zornrot): Immer das Volk bringst du mir hervor als Lehrer. Wer hat das je gesagt? 

DICHTER: Viele haben das gesagt, viele. Bacon sagt, ich erinnere mich nicht mehr an welcher Stelle, es gäbe manche die dächten dass alles schon einmal gesagt sei. Und du meinst nichts sei gesagt. 

WORTGELEHRTER: Ich bitte dich lass mich wissen wer es ge­sagt hat. 

DICHTER: Höre Wortgelehrter und erschrick: Is qui omnium eruditorum testimonio totiusque judicio Graeciae cum prudentia et acumine et venustate et subtilitate tum vero eloquentia  ̶ höre Wort­gelehrter: eloquentia!  ̶ varietate, copia, quam se cumque in partem dedisset, omnium fuit facile princeps. 

WORTGELEHRTER: Wer, sage mir wer, um des Friedens willen? 

DICHTER: Erinnere dich des Namens den du vorhin nanntest, denn jetzt bedürfen wir seiner. 

WORTGELEHRTER: Wer? Sokrates? 

DICHTER: Er selbst und da ich dich erbleichen sehe bei seinem Namen will ich dich auch mit seinen Worten mähen: 

>Alkibiades: Ich glaube es schon, aber die vielen sind doch fähig vieles zu lehren, wichtigeres als das Brettspiel. Sokrates: Was denn? Alkibiades: Etwa auch das Hellenischreden hab ich von ihnen ge­lernt und ich hätte keinen einzelnen meinen Lehrer nennen können sondern auf die vielen führe ich es zurück von denen du sagst sie seien keine ernst zu nehmenden Lehrer. Sokrates: Aber Vortrefflicher, in diesem Ding freilich sind die vielen die guten Lehrer und mit Recht würden sie gelobt wegen ihres Lehrens. Alkibiades: Wie das? Sokrates: Weil sie darin haben was gute Lehrer haben müssen<. 

WORTGELEHRTER: ... Ob er zufällig etwas anderes meint? 

DICHTER: Du der Kenner alles Hellenischen stellst mir solche Fragen? Das ist dein Fach. 

WORTGELEHRTER: Ich sage dir nichts dagegen  ̶ schönste Worte. 

DICHTER: Schönster Sinn, ja schönster Sinn! Aber was möchtest du? dass jeder die Worte seines Kopfes schreibt? und mit welchem Recht? mit dem Recht das der Geist und die Bildung gibt? Gut also: Einer der Geist und Bildung hat schafft Wortgestalten wie er will, ein andrer tut das gleiche, ein dritter macht es noch schlimmer und in kurzer Zeit haben wir nichts als dichteste Dunkelheit. Deshalb hat die Natur der Dinge gewollt, dass die Worte nicht aus dem Munde zweier und dreier Menschen geboren werden sondern aus dem Munde des Vol­kes, und die Weisen haben diesen ihren Willen verstanden und ihn den Menschen verkündet. Was aber deinen Verdacht betrifft, es könne etwas andres sein was jene Worte bedeuten, so werde ich dir sagen, damit du jeden Zweifel verlierst, wieviele Grosse dasselbe ausgesprochen haben. 

WORTGELEHRTER: Nein nein erwähne keinen, Platon gilt für sie alle, auch für die künftig Geborenen. 

DICHTER: Gerechtes Urteil, aber die Weissagung überspringt es. 

WORTGELEHRTER: Ich glaube an Platon über alles hinaus was einer vorbringen könnte. Besser dass ich verrückt werde als dass ich an seinen Worten zweifle, und wirklich würde ich verrückt werden wenn ich zweifelte. Und dennoch... dies empört mir die Seele... bist du tapfer? 

DICHTER: Und wenn ich es nicht bin  ̶ folgend dem Beispiel so vieler anderer suche ich mich als ein Tapferer zu zeigen. 

WORTGELEHRTER: O du bist sicher tapfer, du bist tapfer. 

DICHTER: Ich danke dir wenn es auch das erste Mal ist dass du mich siehst. 

WORTGELEHRTER (Leise sprechend): Glaubst du dass Platon, mein Gott verzeih mir, dass Platon sage ich, er selbst der das gesagt hat, glaubst du dass er geschrieben hat wie das Volk spricht? 

DICHTER: Das glaube ich nicht und wer glaubt es? 

WORTGELEHRTER: Das glauben die von der Volkssprache. 

DICHTER: Schiefes Ding. 

WORTGELEHRTER: Und du selbst? Was sagtest du bis jetzt? 

DICHTER: Nichts davon. Wir haben noch gar nicht davon gesprochen w i e wir die Sprache schreiben müssen. Bis jetzt habe ich gesagt und dir bewiesen, dass die Formen der Worte wenn sie allen gemein­sam sind nicht von irgend einem geändert werden können mit dem Vorwand der Verbesserung und nichts anderes. 

WORTGELEHRTER: Und die Worte Platons warum hast du sie mir vorgebracht? 

DICHTER: Damit du dich überzeugst, dass das Volk den Schrift­steller die Bedeutung der Worte lehre. 

WORTGELEHRTER: Also wird das Geschriebene ein ganz anderes Ding sein als die Rede des Volks? 

DICHTER: Nicht ganz ein anderes Ding. Was Bacon sagt über die Natur, dass der Philosoph sich ihr zuerst unterwerfen müsse um ihr Herr zu werden, kann man auch von der Sprache sagen: unterwirf dich der Sprache des Volkes, und bist du ihrer mächtig werde ihr Herr. 

WORTGELEHRTER: Das verstehe ich nicht wie es geschehen soll. 

DICHTER: Schau wie es geschieht: Aus den Beispielen die ich dir bringen werde wird es erhellen dass der Schriftsteller einmal in seinen Fügungen dem Volke folgt, einmal nicht, dass die Gestalt der Worte die das Volk gebraucht nicht verändert wird vom Schriftsteller, dass aber ein jedes Wort damit es Adel gewinne nichts andres bedarf als die Kunst des Schriftstellers. Wenn ich die Beispiele von den Fremden nehme so tadle mich nicht, denn die Schuld ist nicht mein: 

Quand’ io fui desto innanzi la dimane  

Pianger sentii fra ’l sonno i miei figliuoli  

Ch’eran con meco, e domandar del pane. 

Gib acht, ich bitte dich  ̶ entsinnst du dich jenes grossen Wunders der Kunst, des Ugolino? Diese Worte, berühren sie dir die Seele? 

WORTGELEHRTER: Gewiss.. 

DICHTER: Hier gibt es keine Umschreibung, hier gibt es keine erhabene Wortführung und in diesen drei Versen ist der Dichter dem Volke nachgegangen. Ja, es ist gut wenn wir beachten dass jenes con meco das die Italiener so richtig finden nur aus der gemeinsamen Rede des Volkes kommen kann, denn der Dichter wagt nicht es von sich aus zu machen, und was dies betrifft so erinnere ich dich an das ΔΩ Homers an das CA Dantes und andere solche, viele, und damit du erfährst dass der Schriftsteller nicht derjenige ist der sie bildet, setze auch du in der Nachahmung statt ΨΩΜΙ  ̶ ΨΩ, auf dass wir sehen welche Antwort du von den andern bekommst. 

WORTGELEHRTER: In welchen Fällen aber folgt der Dichter in seinen Wortfügungen nicht dem Volk? 

DICHTER: In vielen, aber auch in diesen müssen seine Fügungen denen entsprechen die es schon gibt. 

E questa e l’altre mossero a sua danza 

E quasi velocissime faville 

Mi si velar di subita distanza 

In den beiden ersten Versen sind die Wortfügungen des Dichters die des Volkes, im dritten nicht und er hat eine schöne Kunst.. aber die Wortformen bleiben trotzdem immer die gleichen. 

Io venni in luogo d’ogni luce muto 

Diese Fügung ist nicht des Volkes aber die Worte nimmt es auf weil es die seinen sind. 

WORTGELEHRTER: Gib mir ein Beispiel damit ich verstehe wie die Worte die niedrig scheinen Adel gewinnen können. 

DICHTER: Gleich. Niemals durch Veränderung der Form. Aber sage mir du zuerst: sollevo, peccator, capo, pasto, forbendo, capelli  ̶ diese Worte, scheinen sie dir edel? 

WORTGELEHRTER: Die drei letzten scheinen mir sehr niedrig. 

dichter: 

La bocca sollevo dal fiero pasto  

Quel peccator, forbendola a’capelli  

Del capo ch’egli avea diretro guasto  

Und jetzt? jenes forbendo, jenes pasto, bringen sie dir Schauder oder nicht? 

WORTGELEHRTER: (Schweigt) 

DICHTER: Sieh also: wenn du Seele hast so fühlst du dass so gebraucht die Worte nicht niedrig sind, wenn du keine hast so schaust du weder die Gesichte der Dichtung noch fühlst du die Leidenschaften und bei dem Vorurteil das du hast scheinen dir die Worte niedrig. 

WORTGELEHRTER: Die Grundlage also auf der wir unsere Spra­che verschönern müssen soll nach deinem Willen nicht die hellenische sondern die heutige sein? 

DICHTER: Entschieden. 

WORTGELEHRTER: Und wie kann das geschehen, es gibt so viele Mundarten in Hellas und wir verstehen uns nicht untereinander. 

DICHTER: Wieviele Mundarten, wieviele? Schau gut, damit dich nicht die Verschiedenheit der Aussprache betrügt wenn du über die Mundarten von Hellas urteilst. Zehn Worte die wir anders haben als die in Morea  ̶ was machen sie uns aus? Und dann  ̶ welches sind diese grossen Unterschiede? Wir sagen ΠATEΡΌ und anderswo sa­gen sie ΠATΈΡO, wir sagen ΜΑΤΊΑ und anderswo sagen sie MAΤΙΆ, wir sagen ΑΕΡΑΣ und sonstwo sagen sie ΑΓΕΡΑΣ, wir ΗΜΠΟΡΟΥΝΕ und sonstwo sagen sie ΗΜΠΟΡΟΥΝ  ̶ was sind das für Unterschiede? Wir verstehen uns nicht untereinander? Lass das die Italiener sagen, die sich wahrhaftig nicht verstehen.  ̶ Hast du je einen fremden Diener gehabt? 

WORTGELEHRTER: Die Diener ziehst du mir heraus? 

DICHTER: Antworte, denn du weisst nicht wo meine Frage hinschaut. 

WORTGELEHRTER: Ich habe sie gehabt. 

DICHTER : Und wenn sie sprachen hast du sie verstanden? 

WORTGELEHRTER: (Schweigt) 

DICHTER: Ich antworte selbst. Ich habe fremde Diener gehabt: einen aus der Maina und ich habe ihn vorzüglich verstanden, einen aus Gastuni, einen vom Olymp, einen aus Chios, einen aus Philip­popolis und ich habe sie alle vorzüglich verstanden. Ich habe Leute sprechen hören aus Missolongi aus Konstantinopel und andre anders­woher und ich habe sie so gut verstanden, dass ich fast gesagt hätte sie seien aus meinem Orte. 

WORTGELEHRTER: Aber sie alle waren sehr unwissend. 

DICHTER: Sie waren es, und Christopulos der alles andere als unwissend ist schreibt mit ihren Worten. 

WORTGELEHRTER: Und diese Worte... 

DICHTER: Und diese Worte sind die gleichen mit denen du die >Hirtentochter< geschrieben findest, ein Gedicht  ̶ keine Frau die es nicht kennt  ̶ das zweihundert Jahre auf seinen Schultern hat. Wir haben die Kleftenlieder gedruckt gesehen und wir kennen auch andere von ihnen und wir haben gefunden dass sie kein Wort enthalten das nicht lebendig ist in Zakynthos. 

WORTGELEHRTER: Und die Armut der Sprache  ̶ bringt sie dir keine Unruhe? 

DICHTER: Einmal habe ich noch nie gehört dass die Armut einer Sprache eine hinreichende Rechtfertigung sei dass die Gelehrten sie verändern, und zum zweiten: wer hat entschieden, dass sie arm ist? 

WORTGELEHRTER: Alle die Weisen der Nation. 

DICHTER: Weisen? Es mag sein. Und diese Weisen, scheint es dir nicht dass auch sie einen Fehler machen können? 

WORTGELEHRTER: Leichter ist es dass ihr fehlt. 

DICHTER: Wäre es eine dunkle und neue Frage  ̶ vielleicht. Aber ist sie neu? Ist nicht zur Zeit Dantes ähnliches geschehen? Alle die Weisen wie du sie nennst in jener Zeit, haben sie nicht Dante verfolgt? Sagten sie ihm nicht dass die Sprache eine verdorbene elende arme sei und nicht wert dass ein Mensch sie schreibe der Wissen hat? Haben sie sich nicht erdreistet ihn zu beschreien dass man aus seinen Schriften Pfeffertüten machen müsse? Was bringst du mir also die Weisen an mich zu erschrecken? Hatten darin nicht mehr Einsicht als die Philo­sophen die niedrigen Leute die auf den Strassen seine Verse sangen? Ist denn jetzt auch nur einer in Italien der nicht Dante zu kennen eifert um die Sprache zu lernen? 

[Der erste Herausgeber, Jakobos Polylas, bemerkt über die Handschrift: Hier endet das erste zweite und dritte Heft, das vierte fand sich nicht, vielleicht fehlt auch ein fünftes. Das folgende ist das letzte.] 

 

WORTGELEHRTER: Ich versichre dich dass ich um die Wahr­heit streite und um nichts andres. 

DICHTER (Freundschaftlich die Hand des Wortgelehrten ergreifend): Ehrliche Worte sind dir aus dem Mund gekommen. Ich wie du streiten für die Wahrheit, aber bedenke gut dass du, die Wahrheit auf jene Weise jagend, dich vielleicht täuschst und in deinem Schooss ihr Trugbild umarmst. Komm zu dir selbst, erwäge wieviel Übles die Sprache stif­tet die ihr schreibt. Wie lange werden die Fremden noch fortfahren uns zu beklagen, uns zu erinnern an den Ruhm unserer Vorfahren um uns noch mehr zu beschämen? >Der Lorbeer ist verwelkt< rief der Tapfere, bitterste und wahrste Worte! Ja wehe, der Lorbeer ist verwelkt! Der Fremde kommt und findet viele Sitten der Ilias leben: noch sin­gen die Frauen die Klagelieder bei den Toten und küssen sie, noch schlägt sich der Greis in seinem Unglück die Stirn mit seinen beiden Händen und streckt sie zum Himmel als wolle er ihn fragen warum ein solches Geschick auf sein Haupt gefallen, noch entblösst die Mut­ter ihre Brust und erinnert ihr Kind an die Milch die sie ihm gab, noch schwört der Knecht seinen Eid auf das Brot das ihn genährt  ̶ aber der Fremde hat nichts anderes, uns Eigenes, zu murmeln auf seinen Lippen als MΗNIN ΛΕΙΔΕ ΘEA weil der Lorbeer verwelkt ist. Und jetzt da der Sieg bei Marathon wieder gesiegt wird lebt keine Menschen­stimme die in unserer Sprache den Schwur erneue: bei den Seelen derer die kämpfend fielen.. weil der Lorbeer verwelkt ist. (Der Dich­ter weint.) 

WORTGELEHRTER (Lacht:) Entsinne dich der bitteren Worte die du mir sagtest. 

DICHTER: Verzeih mir, leicht ist mir die Lippe und nicht schlimm das Herz, verzeih mir sag ich dir. 

WORTGELEHRTER: Wisse dass ich alles vergessen habe. 

DICHTER: Nicht alles, lieber Bruder, beim Andenken des Botzaris nicht alles vergiss! Soviele Väter haben ihre Kinder in deiner Lehre und hoffen dass du sie zu Schilden des Vaterlands machst und wolle du nicht die Schuld nehmen auf deinen Hals! Es ist keine Schande wenn ein Mensch bekennt dass er geirrt, ja jeder Tapfere wird dich loben und ich werde dir an die Stirn den Kuss des Friedens geben. 

WORTGELEHRTER: Wir, wir werden die Säulen der Sprache aufrichten jetzt da die Freiheit... 

DICHTER: Nicht mehr zu ertragen bist du! Ihr, ihr werdet die­selben Säulen aufrichten wie Sesostris, als er Palästina durchzog! Nicht mehr zu ertragen bist du! Du redest von Freiheit, der du den Sinn umkettet hast mit allen Circumflexen, die geschrieben wurden von der Erfindung der Rechtschreibung bis heute. Du redest von Frei­heit? Wir haben den Nutzen gesehen den ihr mit euren Lichtern ge­bracht habt bei der Erhebung von Hellas. Unsinnige Poeten haben wir gehört die die Helden unsterblich machen wollten und die gepriese­nen Helden verstanden kein Wort. Dunkelsinnige Redner haben wir gehört die sich bemühten die Flamme des Krieges anzufachen im Volk und die begannen mit dem Worte ΠΡΟΤΡΟΠΗ. Und wie, das Volk von Rom lief Cicero zu hören weil es nichts verstand? Weil es nichts ver­stand verbesserte das Volk Demosthenes der absichtlich spielte mit dem falschgesagten Wort? Weil er nichts verstand staunte als Herodotos seine Geschichte las und weinte da er sie hörte Thukydides der drei­zehn Jahre zählte, und weil sie nichts verstanden sangen die Spartaner in die Schlacht schreitend die Kriegsgesänge des Tyrtaios und fühlten singend eine andere Seele in ihrer Brust? O meine jungen Mitstreben­den, wie könnt ihr je hoffen dass man eure Lieder singe wenn eure Lehrer euch die Ohren durchbohren mit ΒΡΩΜΑΤΑ mit ΘOYPΙON und mit ähnlichem? O Wortgelehrte, das sind die Lehren die ihr ihnen gebt und ihr wollt sie erleuchten. Genau so könnt ihr ihnen zur Erleuch­tung eine Handvoll Asche in die Augen streuen. Ich aber künde euch das Ende eurer Herrschaft in Hellas mit dem Ende der Herrschaft der Türken. Geendet hat sie und vielleicht verflucht ihr die Stunde der Erhebung. Nein nein, Europa das seine Augen auf uns geheftet hat zu sehen was wir tun, da wir die Ketten der Sklaverei zerbrechen, wird niemals sehen dass wir uns dreissig hölzernen Tyrannen unterwerfen. 

FREUND: Schweige, es sammelt sich das Volk. 

DICHTER: Das kümmert mich nicht, soll es sich doch versammeln, ja möge sich das Volk von ganz Hellas versammeln damit der Wort­gelehrte hört wie es spricht.. Möge es sich versammeln damit ich ihm zurufe so laut ich kann wieviel Unrecht ihm am Szepter der Sprache geschah das die Natur ihm verlieh. Gekannt hat die Macht dieses Szepters Sokrates, gekannt hat sie Cicero, gekannt Speroni, gekannt haben sie die Weisen aller Völker und Zeiten und Der hier will es seinen Händen entreissen, will es zerbrechen und ihm ein andres geben, ein gespenstisches! 

WORTGELEHRTER: Aber Herr... 

DICHTER: Aber Herr, Ihr werdet es nie zerbrechen, die Mann­haften werden es auf eurem Rücken gebrauchen wie Odysseus das seine gebrauchte auf dem Rücken des Thersites. 

WORTGELEHRTER: Aber Herr... 

DICHTER: Aber Herr, du weisst nicht was du denkst: Ändern die Sprache eines Volks! Geh hin also, geh rings umher in Hellas das Mädchen zu finden dem du befiehlst mit welchen Worten es sage dass die schönste Schönheit seines Leibes die Ehre ist. Geh hin zu den Solda­ten, betaste ihnen die Wunden und sag ihnen dass sie sie ΤΡΑΥΜΑΤΑ nennen müssen. Geh hin den Weisshaarigen zu finden der sich er­innert wieviel Blut uns jener Ali gesogen und sag ihm mit welchen Worten er schildern muss: Säuglinge Jungfrauen Greise ermordet sech­zigtausend, geh hin die unglücklichen Chioten zu finden die verschlagen umherirren hier und dort und wenn sie müde werden sich vielleicht setzen an einer verödeten Küste und mit ihren eigenen Worten singen >an den Fluss von Babylon haben wir uns gesetzt und geweint<.. 

WORTGELEHRTER: Aber Herr... 

DICHTER: Aber Herr, ich lasse dich nicht mehr sprechen. Ihr habt keine andre Sorge als dass ihr Worte erbettelt mit euren Köpfen und eure Köpfe sind stumm und trocken wie die Schädel die in der Erde schlafen. Andres bedarf es denn erbettelte Worte um einem Volke zu nützen das um die Freiheit streitet die es seit Jahrhunderten verloren hat und das Wunder verrichtet. Zwei Flammen gibt es, Lehrer, eine im Geist die andre im Herzen, angezündet von der Natur in einigen Menschen die in verschiedenen Zeiten verschiedene Mittel gebrauchen das Gleiche zu gewinnen. Und von der Erde schwingen sie sich zum Himmel und vom Himmel schwingen sie sich zum Hades und malen Bilder und Leidenschaften denen ähnlich die von der Natur in die Welt gesät sind, und lieben und verehren und beten an ihre Kunst als das teuerste Ding des Lebens, und sie werden eins mit dem Leben das sie darstellen und machen die Menschen lachen und weinen hoffen und fürchten schaudern und die Haare sträuben, und sie lassen nichts ungerührt als die Steine und dich. 

WORTGELEHRTER (Schnell redend): Gut gut, aber wenige kennen die alte Orthographie. 

DICHTER: Seid gegrüsst denn göttliche Akzente grade, schräge, geringelte! Seid gegrüsst ihr Hauchzeichen sanfte und scharfe, ihr Punkte Strichpunkte Fragekringel seid gegrüsst! Die Welt erzittert eurer Macht und kein Dichter, kein Schreibender kann ein Wort malen ohne sich euch zu unterwerfen. Ihr habt noch eh ihr geboren ward beseelt Homer da er sang die Ilias die Odysseia die Hymnen, und das Volk von Hellas umringte ihn und verstand ihn. Ihr habt ihn beseelt als er den Abschied Hektors von Andromache sang, wie sein Kind ihn fürchtet und sich verbirgt, ihr habt ihn beseelt als er vom unglücklichen König von Troja sang der zu Achilleus geht und ihm zu Füssen fällt und die Hände küsst die ihm kurz vorher sein teuerstes Kind getötet haben, ihr habt Dante beseelt als er den Ugolino sang mit einer Kraft wie ich keine finde in der ganzen Dichtung der Alten, ihr Shakespeare da er den Lear und Hamlet, Othello und Macbeth schuf und das ganze Volk von England schauderte, ihr Racine, ihr Goethe, ihr Pindar den die Wortgelehrten seiner Zeit dazu zwangen, dass er sie Raben nannte. Raben alle, wirkliche Raben und schlimmere als der Rabe der aus der Arche hervorkam und sich von den Resten nährte die die Sintflut der Welt gelassen hatte. 

WORTGELEHRTER: (Schaut ins Auge des Dichters und flieht.)

FREUND: Ich bin sicher ihm scheint er hätte dich gegrüsst, so benommen ist er, er weiss nicht was er antworten soll, doch hast du ihn nicht überzeugt. Er läuft um sonstwo wieder von der verdorbenen Sprache zu reden. 

DICHTER (Hinüberblickend nach Morea): Die Sonne hat ihre letzten Strahlen dort gesammelt. 

FREUND: Entsinne dich der Worte der heiligen Bücher: die sinkende Sonne soll dich nicht zürnend finden. 

DICHTER: Heiligste Worte und ich strebe in meinem Leben mich ihrer so oft wie möglich zu entsinnen, aber jedesmal wenn ich mit den Wortgelehrten streite die sich mühen die Nation zu verblenden entschwinden mir solche Worte ganz aus dem Sinn. 

FREUND: Du hast deine Augen dort festgeheftet und so erglüht bist du im Antlitz und so beben dir die Glieder dass es scheint du bereitest dich dort hinüber zu gehen und zu kämpfen. 

DICHTER: Es schmerzt mir die Seele: die Unsern vergiessen ihr Blut unterm Kreuz uns zu befreien und dieser und die ihm gleichen kämpfen zur Vergeltung ihnen die Sprache zu rauben.