Springe direkt zu Inhalt

#Lesenswert

17.11.2021

Der preußische Leutnant Adolph von Lübtow (6.12.1802/Doristhal - 20.12.1877/Danzig) ging 1822 nach Griechenland und kämpfte mit dem Philhellenen-Bataillon für die Griechische Revolution. Seine Erlebnisse dokumentierte er in einem Tagebuch, das nach Überarbeitung durch seinen Landsmann Ludwig von Bollmann 1823 in Bern unter dem Titel Der Hellenen-Freiheitskampf im Jahre 1822 aus dem Tagebuche des Herrn A.v.L., Hg. Von Ludwig von Bollmann veröffentlicht wurde. Das idealisierte Bild der Antike ist prägend in seiner Erzählung und stellt einen gewissen Gegensatz zu der manchmal düsteren Realität der damaligen Zeit dar. Aber von Lübtow passt sich und seine Vorstellung während seines Aufenthalts in Griechenland den gegebenen Umständen an. So gelingt es ihm, die aufständischen Griechen seiner Zeit zu verstehen. Hier können Sie einen Auszug aus seinem Tagebuch lesen.

Ο πρώσος αξιωματικός Adolph von Lϋbtow έφτασε στην Ελλάδα το 1822 και συυμμετείχε στην Ελληνική Επανάσταση, μαχόμενος με το Τάγμα των Φιλελλήνων. Το ημερολόγιό του από την συμμετοχή του στον Αγώνα της Ανεξαρτησίας δημοσιεύθηκε στη Βέρνη το 1823.

Une Assemblée d’Officiers Européens, accourus au secours de la Grèce en 1822

Une Assemblée d’Officiers Européens, accourus au secours de la Grèce en 1822
Bildquelle: René Puaux, Public domain, via Wikimedia Commons

Erstes Capitel.

Es war am 11. Januar 1822, als ich1 an Bord eines französischen Schiffes ging. Nach Osten wandte ich meine sehnsuchtsvollen Blicke, na dem Schönen Vaterlande des Solon und Themistocles.

Jenen goldnen Tagen, wo Götter noch unter Menschen wandelten, folgte eine lange Nacht der Barbarei. Vom Norden, dem Aufenthalte wahrer Barbaren zur Zeit der schönsten Blüthe von Kunst und Wissenschaft in Hellas, - rief eine erhabene Stimme2: „es werde Licht“! und Blitze durchzuckten die Luft, die Thäler erleuchtend, in denen einst Grazien3 wandelten, deren Spur Rosen entsprossen; Pan4 liebend mit Nymphen scherzte und Apoll5 den Hirten sang. Freiheit! Freiheit erscholl es von den Thermopylen bis zu Messeniens paradisischem Küstengestade, - von Ithaka´s Schäferhütten bis zu den Ruinen Lacedämon´s, denn nur neben Freiheit wohnen die Musen6! Dorthin zig mich mein Geist. Fünf und dreißig Männer verschiedenen Landes, jüngst zurückgekehrt aus dem Kampfe der Freiheit und der gräuelvollsten Tyrannei, auch gegenseitig gewaffnet, - denn Vernichtung ja gebot der Dämon, - fanden sich brüderlich vereint, vergessend ihren Haß; ein Ziel vereinigte mannigfaltiges Interesse. Ein deutscher Mann führte diese neuern Argonauten7, es war der Rittmeister von Byren.

Jedoch nicht alle hatten das Schwert geführt, aber setzen Sinn verkündete ihre Rede. Ein Doctor der Philosophie bewies mit Wenn und Aber, höchst evident den Untergang der Muselmänner in Europa, sprach von den sieben Weisen Griechenlands mit vermeinter Sachkenntniß und lächelte achselzuckend, traf die Reihe Pythagoras und den göttlichen Plato. Während dessen maß mit pathetischem Schritte ein ehemaliger Tanzlehrer, des Schiffes Räume; mit seinem gewaltigen Schnurrbarte war die Gunst Terpsichorens nicht im Einklange und Mars zählte einen Bekenner mehr. Aber auch ein Schöngeist finde hier seinen Platz, denn sonst wäre das Kleeblatt mangelhaft: ein jugendlicher Dichter und zugleich Mahler, besang den Kampf der neuern Hellenen; Schlachten schuf seine Phantasie und Grausen durchbebte selbst ihn; die Ketten der Barbarei brachen und über Leichenhügel führte endlich die Bahn zur Freiheit. Leider aber sprach er uns in Orakeln, um so mehr würde dieser Dichterling in jetzigen Zeiten Anspruch auf Bewunderung haben unter den Rittern des hölzernen Pegasus8, die ihrer hohen Be- oder besser Entgeisterung den Bierkeller für die Hippokrene9 ansehen.

Obgleich die Jahreszeit der Schiffahrt nicht günstig ist, so fächelte dennoch Aeol10 die Segel schwellend und Neptun11 ruhte in seines Elementes Grotten. Aber bald rollten Donner von Osten her und erschrocken ergriff er den Dreizack. An Corsica´s Felsenküste brachen Wasserberge und hoch in die Lüfte sprützte der Geifer des tückischen Elementes. Nie geahndete Schrecken durchschauerten den Laien der Seefahrt, selbst den Matrosen ergriffen sie gewaltig und zur himmlischen Jungfrau erhoben sie ihre Blicke voll Hoffnung. Gleichen Glaubens mit diesen Männern der finstern Provence, waren unsere Polen; auch sie vergaßen ihren himmlischen Fürsprecher nicht. Fest und ohne Zagen sah der Deutsche in das grause Toben, über ihm war der Allmächtige: „Herr, dein Wille geschehe!“

An Italiens so vielfach besungenen grünen Küsten und bei der gefahrdrohenden Vulkan-Insel Stromboly u. s. w., ging die Fahrt vorbei. Durch die Meerenge von Messina lenkte der Kühne das Schiff, zwischen Calabriens Felsgestaden und Siciliens Gärten, nicht fürchtend der Scylla Gebell und der Charybdis grausenvollen Strudel. Lange noch erfüllte uns Bewunderung bei´m Anblicke des dampfenden Aetna, der weißgescheitelt, braunfarbene Rauchsäulen zum Himmel aufsteigen läßt und weit umher den Wetterpropheten macht.

Nach elftägiger Reise erfreuten uns Morea´s blauumduftete Gebürge; aber Vorsicht erheischte die Landung, denn hinter Mauern und an der buchten- und klippenreichen Küste lag der verderbenbrütende Türke. Während sich unser Schiff dem Gestade näherte, verbarg sich die Schaar für Menschenrecht und Freiheit in dem innern Raume unserer Arche, die endlich am 22. des Monats in der Bucht von Navarin ankerte. Navarin liegt am Fuße und dem Abhange von hohen Bergen, dominirt von einer Citadelle, in deren Umfang auch die Stadt liegt, welche im Westem von Meere gedeckt ist. Diese von Venetianern erbaute Festung ist jetzt sehr baufällig und man sieht darin sehr große Kanonen und besonders ungeheure Mörser, jene auf schlechten Laffeten. Der Hafen ist groß und der beste in Morea für alle Fahrzeuge; die Bai ist gedeckt durch die davor liegende Insel Sphagia (sonst Sphakteria, benannt durch die Niederlage der Spartaner durch die Athenienser). Der Meeresarm zwischen der Insel, im Norden und dem Festlande, wurde sonst durch ein Fort bei Altnavarin vertheidigt; er ist aber seicht. Diese venetianische Befestigung liegt in Ruinen bei´m Dorfe Zonchio. Nördlich von der Stadt liegt in der Nähe das Dorf Pylos, auf einem Plateau und an der Stelle des alten berühmten Hafens dieses Namens; man sieht da noch dieselbe Quelle, welche Bacchus12, dem Moses in der Wüste gleich, - durch einen Schlag mit dem Thyrsus, aus der Erde entspringen ließ. An diesem Quell beginnt eine Wasserleitung, die von den cyclopischen Mauern des alten Pylos erbaut, - das Wasser nach Navarin leitet.

Eine Deputation von unserer Seite stieg ans Land; schon erwartet von den Einwohnern, empfing man sie als Retter und Brüder; die Herzen waren Dollmetscher und ein Festtag wurde den Ankommenden. Im Taumel der Freude, voll von Ahndungen einer glücklichen Zukunft, verließen wir den Bord und gleiche Aufnahme wurde den Nachkommenden. Freudenmachten die Einwohner. Diese, sämmtlich wehrhaft, umlagerten uns, bewundernd die Bewaffnung und den Gesang der Fremden bei´m Becherklange. Rinaldini´s Bande vergegenwärtigte sich bei´m Anblicke dieser Halbwilden, die ausser einem großen Hang zur Dieberei, - womit sie viel Kühnheit und Geschicklichkeit verbinden, - einen glühenden Haß gegen ihre unversöhnlichen Widersacher offenbaren.

Ohne alle Erziehung, - denn so verlangt es der fanatische Coran, - voller Aberglaube, ohne Beistand der Kirche, - die in ihren Grundfesten ganz erschüttert und erbärmlich verwaltet ist, - und in steter Furcht vor seinen tyrannischen (bisherigen) Gebietern, - die er auf dem Wege der Verstellung und List zu umgehen suchte, - ist da der Grieche mit seinen Mängeln nicht um so eher zu entschuldigen?

Sie erzählten uns im vergrößerten Maaßstabe ihre Heldenthaten bei der Eroberung von Navarin, in der sie nur drei Mann verloren haben wollen. Sie zeigten uns ihre Trophäen, die in Haufen verbrannter Knochen der niedergehauenen Türken bestanden, und rühmten sich auf der Insel Sphagia die gefangenen Mohamedaner beiderlei Geschlechts den Hungertod sterben gelassen zu haben. So sehr sie sich gegen uns geltend zu machen suchten durch Erzählung empörender Barbarei, um so mehr verloren sie unser Vertrauen, besonders bey Gelegenheit einer Expedition gegen Modon, welches nur zwei Stunden von hier entfernt liegt. Man erwartete nach zwei Tagen die Ankunft von Truppen, jedoch sie erschienen nicht und selbst einer unsrer Offiziere, in Begleitung eines vorgeblichen Adjutanten des Prinzen Demetrius Ypsylanty, Herrn Grafen Lusi, - eines feigen Griechen von den Ionischen Inseln, - hatten die Umgegend ohne Erfolg aufgeboten.

Um einen Beweis unsers Eifers für die gute Sache der Hellenen an den Tag zu legen, entschlossen sich mehrere unserer Gesellschaft zu einer Recognoscirung Modons, begleitet von nur wenigen Griechen. Längs der Küste führt der Weg nach dieser Festung, der wir uns kaum auf tausend und mehr Schritte genährt hatten, als unsere Braven sogleich halt machten und zu feuern begannen. Wir suchten sie durch eignes Beispiel anzufeuern, indem wir zugleich alle Künste der Ueberredung anwendeten; allein beides fruchtete nichts und sie schickten sich sogar zum Rückzuge an. Das Fernglas unterrichtete uns von der Lage dieser schlecht befestigten Stadt, vor welcher die Türken campirten, um so lange als möglich auf Kosten der Umgegend zu leben, welche sie beliebig durchstreiften.

Modon, das alte Methone, ist auf einer Landzunge erbaut, welche in der Verlängerung der Insel Sapienza liegt; gegen Norden unterhält eine hölzerne Brücke die Verbindung zwischen dem Festlande und dieser verfallenen venetianischen Festung, die von achzig Feuerschlünden vertheidigt wird.

Voller Mißfallen über das schlechte Betragen der Griechen, denen der Graf Lusi das erste Beispiel gab, kehrten wir wieder nach Navarin zurück, wo uns die Ephoren das erste Haus der Stadt zur Wohnung angewiesen hatten. Diese Männer suchten uns den Aufenthalt so bequem als möglich zu machen, und lieferten die nöthigsten Bedürfnisse unentgeldlich. Die Abende brachten sie in unserm Kreise zu, wobei aus deutscher Brust deutsche Gesänge ertönten, die ihren ungetheiltesten Beifall fanden, obgleich ein Dollmetscher ihnen nur erbärmliche Uebersetzungen davon mittheilen konnte; wir sangen aber die goldene Freiheit und gedachten Dein, geliebtes Vaterland!

Um den Griechen das nie gesehene Schauspiel des Bombenwerfens zu geben, folgten wir dießhalb der Aufforderung der Ephoren; im Laboratorium füllten wir einige Bomben und warfen sie bei Dunkelheit der Nacht zur höchsten Zufriedenheit der Einwohner, deren Achtung für die Franken auf´s höchste gesteigert wurde.

Unsere fernere Bestimmung erheischte unfern Abmarsch; auch die Unthätigkeit behagte uns nicht, obgleich wir zur Belehrung der bewaffneten Landbewohner, den Festungsdienst übten; diese bildeten die Garnison und wurden von Zeit zu Zeit durch andere Haufen abgelöst. Leider war der Commandant, ein Grieche, den Ephoren nicht ähnlich und ohne alle militairische Tugenden; zwar hatte er einst im Dienste der Franzosen gestanden, aber von ihnen nur die Mode des Zopfes, - eine Reliquie, - mit in sein Vaterland gebracht; obgleich nun aber nach dem allgemeinen Sprichworte: ein Narr mehrere Jünger zählt, - so waren seine Landsleute zu vernünftig, um ihm nachzuahmen. Am 2. Februar zogen wir, dreizehn an der Zahl, vorwärts, nachdem die Uebrigen bald nachzufolgen versprachen, - sie bedurften ja der Ruhe, nach den großen Beschwerlichkeiten einer Seereise!? – In dem Abschiede von den Ephoren, hatten sich diese auf das Vortheilhafteste ausgesprochen: „Die Thore der Stadt Navarin nicht allein, auch die Thüren unserer Häuser und unsere Herzen stehen Ihnen, meine Herren, zu jeder Zeit und unter allen Verhältnissen offen.“

Bleiben sollten wir, aber die Ehre rief und es folgte der Mann!

Der Tag schien die gegenseitige Trauer zu theilen, denn aus schwarzem Firmamente ergoß sich der Regen in Strömen. Bäche, die aus dem nahen Gebürge in die Ebne hinabstürzen und zur Zeit des Sommers ausgetrocknet sind, legten uns die größten Hindernisse in den Weg, so daß unser Führer umzukehren Willens war. Nach einem beschwerlichen Marsche von fünf Stunden, auf einem schmalen Fußsteige im Gebürge, - wie alle Wege in Griechenland, - und Bäche durchwatend, - denn Brücken fehlen allenthalben, - nahmen wir unser Nachtquartier in einem Dorfe, wo uns das beste Haus aufnahm. Eine frugale Mahlzeit stärkte uns, noch mehr aber der Schlaf der Ermüdeten. Ungünstig war uns auch die Witterung des folgenden Tages; gegen Abend desselben kamen wir in die fruchtbare und gut angebaute Ebne von Nisi und bald darauf in den Ort gleichen Namens. Dies ist ein Flecken an einem Bache, der die große Ebne in der nassen Jahreszeit bis in den März hinein überschwemmt. Die Einwohner waren nicht ausgewandert und strömten in Haufen herbei, um uns die Revue passiren zu lassen; sie wiesen uns unser Quartier in einem Kaffeehause an, wo wir gut bewirthet wurden. Wir setzten den andern Morgen unsern Stab weiter, durchwateten zwei Gebirgsbäche und im Schatten von schönen Olivenhainen gelangten wir zu einem Defilee, hinter welchem wir den Pamifus überschritten, um in Calamata einzuziehen.

Wir befanden uns jetzt in der furchtbarsten Gegend des alten Messeniens, reich an den mannigfaltigsten Produkten, vorzüglich an Seide, Körnern, Feigen, Tabak und Ziegenfellen; das Thal des Pamifus prangt mit den schönsten Oliven-, Orangen- und Citronenwäldern; in den Gärten baut man Zuckerrohr und Indigo, deren Anbau sehr vergrössert werden könnte, wäre der Messenier nicht zu sehr dem Müssiggange ergeben. Der Hauptort dieser reichen Fluren, Calamata, der erste Markt im Süden Morea`s, und die Nähe des Meerbusens von Coron, welcher nur eine Viertelstunde entfernt ist und der bei hohem Wasser für Kähne schiffbare Pamisus, - würde die fremden Schiffe und den blühendsten Wohlstand herbeizuführen, fröhnte der Einwohner nicht zu sehr der Bequemlichkeit. Die am Pamisus liegenden Lohgerbereien, einst so berühmt, stehen unbeschäftigt und statt der Pavillone fremder Länder sieht man nur Küstenfahrer. Am Gestade des Meeres liegen einige Magazine und in der Nachbarschaft die Ruinen einer venetianischen Festung.

Auch da wartete unser der beste Empfang, denn in dem ersten Gasthause, - das leider unser Dorfschenken weit nachsteht, - bewirteten uns die Ephoren während drei Tagen. Die bewährten ihren Eifer für die hohe Sache, indem sie zum Transporte unsers Gepäckes, vom öffentlichem Markte die Pferde der Landleute requirirten, welche harte Maaßregel bald für uns die unangenehmsten Folgen hatte. Die Bauern, der Gewalt augenblicklich gehorchend, schienen sich in ihr Ungemach zu fügen und dienten uns zu Führern bei Fortsetzung des Marsches. Kaum hatten wir aber eine halbe Stunde in der Ebne zurückgelegt, einen Gebürgsbach durchwatet, als sie die Einwohner des nächsten Dorfes zu ihrem Beistande aufgewiegelten, die Freilassung ihrer Pferde fordernd. Allein unsere Vorbereitung und der feste Entschluß, ihr Verlangen mit gewaffneter Hand abzuweisen, bahnte uns den Weg; jedoch kaum waren wir im Freien, als uns einige Flintenschüsse nachgeschickt wurden, welche glücklicherweise ihr Ziel verfehlten.

Auf beschwerlichem Wege im hohen Gebürge und nach vierstündigem Marsche, während welchem uns die Nacht höchst unangenehm überraschte, trafen wir in dem uns bezeichneten Nachtquartier zu Scala ein, ein Dorf, auf hohem Berge liegend. Der Ephore weigerte sich, seine Hausthüre zu öffnen, und da unser Führer mit Gewalt in seine Wohnung zu dringen suchten, drohte er denjenigen zu erschiessen, der in seinem Vorhaben beharren würde und sogleich verschwanden die Ungestümen. Ein benachbarter Grieche, aufgewachsen in unsern civilisirten Ländern, wurde unser Vermittler. Durchdrungen von Dankbarkeit gegen fremde Männer, die für das Heil seines Vaterlandes aus fernen Gegenden, mit mannigfachen Gefahren kämpfend, herbeizogen, bot er uns seine Abendmahlzeit und Hütte an. Kunst der Ueberredung vermochte mehr denn Gewalt bei dem rauhen Ephoren; Befreier und Palikari (Ehrenmänner) nannte uns jener, worauf sich der Gebietende entschloß, die nöthigsten Mittel zu liefern, jedoch für – Bezahlung. Während diesem Auftritte war einer unserer Führer, begünstigt durch die Dunkelheit, - trotz der besten Vorsichtsmaaßregeln, davon gegangen und hatte uns sein Pferd zurückgelassen. Dieser Vorfall führte den andern Tag nie geahndete Unannehmlichkeiten herbei. Schon am Morgen desselben begann das Vorspiel zum Ungemache, das unserer am Abend Wartete; denn kaum waren wir von den Bergen, durch einen Hohlweg, in eine gut angebaute, weinreiche, mit zahlreichen Viehheerden überdeckte Ebne hinabgestiegen, als eines unserer Pferde scheu wurde und durchging. Zwar eilte ihm der Führer nach, war aber nicht geneigt, es einzufangen, und als er sich bei gehöriger Entfernung in Sicherheit glaubte, gelang es ihm den Renner zu erhaschen, von welchem er sogleich sämmtliches Gepäcke warf, sich hinaufschwang und mit einem unserer Mäntel bereichert, der Heimath zueilte. Dennoch störte diese Begebenheit unsere Reise nicht und glücklich erreichten wir den Fuß der Gebürge.

Hier, bei einem Kan, am Eingange eines starken Defilee´s, fanden wir mehrere hundert Männer versammelt, die hinter Felsen und Gebüsch uns Verderben drohten. Der in Scala entflohene Führer und Eigenthümer eines der Packpferde, hatte sie herbeigerufen und ungestüm forderte er die Zurückgabe der Transportthiere. Entschlossenheit und Vorbereitung, der Gewalt männlich zu begegnen, hätte uns aus dieser Verlegenheit helfen können, was uns auch bei unserer Rückkehr nach Calamata die Ephorern versicherten; allein in unserer kleinen, aus dreizehn Personen bestehenden, Gesellschaft, war dieserhalb keine Einigkeit. Einige fanden die Forderung des Bauern gereicht, - obgleich er sein Recht gegen die Ephoren Calamata´s hätte geltend machen sollen; noch andere fanden es nicht rathsam, mit diesen unbekannten Feinden in fester Position eine Lanze zu brechen, und der Unentschlossenheit setzte ein Arzt die Krone durch sein, an Ai´s Faulheit gränzendes Phlegma, auf; denn alle unsere Versuche, ihn zur Oeffnung seines Mantelfaches zu bewegen, worin der die Bürgen seiner eignen Sicherheit, - Pistolen, - gepackt hatte, blieben fruchtlos. In so peinlicher Lage, im Angesichte einer raubgierigen Horde, konnte unsere Zaghaftigkeit uns sehr verderblich werden, daher gaben wir der Forderung des Bauern Gehör, gute Miene zum bösen Spiel machend.

Dieses Abentheuer war nicht geeignet unsern Enthusiasmus für die neuern Hellenen zu steigern; viele sahen darin die schlimmste Vorbedeutung für die Zukunft; ohne alle Erfahrung, und wo läßt sich diese auch hinter Büchern und hinter´m Ofen machen, - entschloß sich die Mehrzahl der Gesellschaft zur Rückkehr, aus Mangel an Muth, Widerwärtigkeiten keck die Stirne zu bieten. Auch die Entschlossenern mußten, wie so oft in der Welt, ihren Willen der Schwäche unterordnen. Wir kehrten also, auf schon bekanntem Pfade, zurück, nachdem wir von der Bande für vieles Geld andere Transportthiere erhalten hatten. Auch in Scala war die Hülfe vergeblich zu hoffen, da unser Gönner des vorigen Tages in Geschäften in Calamata sich befand, jedoch Geld schaffte das Nöthige herbei.

Klagend zogen wir zu den Ephoren Calamata´s, die, uns tröstend, versprachen, die Sache zu – vergessen. Unser Dichter, stets in einer idealen Welt lebend, fand hier zwei deutsche Studenten, die einige Monate vor Napoli dir Romania zugebracht, ihm ihr Mißfallen über die Griechen mittheilten, worauf dieses Kleeblatt von Schöngeistern sich bald nach Italien einschiffte, nachdem sie durch Verkauf ihrer Waffen die nöthigen Gelder herbeigeschafft hatten. Auch jener Thürsteher des Tempels der göttlichen Philosophie und unser phlegmatischer Doctor verschacherten ihre Wehr, blieben jedoch bei uns, da sie des Schutzes bedurften. Auch einer meiner Landsleute und ein junger Mann von den Ufern des Belts, hielten es angemessener, einige Zeit an Ort und Stelle die Angelegenheiten der Griechen zu beobachten, um darnach ihren Plan für die Zukunft zu entwerfen. Diesen Mangel an Resignation haben beide, vorzüglich jener vor Athens Acropolis, durch gute Haltung ersetzt, indem sie sich an die Expedition des braven Generals Grafen Normann anschlossen, der einige Zeit nach unserer Ankunft bei Navarin, Griechenlands Boden begrüßte, um im demselben Augenblicke, als Sieger des Halbmondes, seinen Namen in das Buch der Unsterblichkeit einzugraben.

Drei andere Männer unsers Häusleins, waren gleich am Tage unserer Rückkehr, eingedenk der guten Aufnahme in Navarin, dorthin gegangen. So waren wir noch sechs an der Zahl, aber fest hielt Einer den Andern! Jene beiden Zauderer hatten sich in ein Privathaus eingenistet, jedoch überhäuft mit Gepäck, warnte sie ein Ephore vor einem Anfalle der Raubsüchtigen der Garnison; Gewalt ist dort Recht, aber dies nur allein in Griechenland? Daher hielten sie sich die wenigen Tage unsers Aufenthaltes in der Canzlei auf, welche man uns zur Wohnung eingeräumt hatte. Ohne Anfechtung blieben sie in unserer Mitte, und selbst späterhin, haben sie sich gegen die Griechen nicht zu beklagen gehabt.

Nach dreitägigem Aufenthalte verfolgten wir unsere frühere Absicht, nach Corinth uns wendend. Bald kamen wir an jenen berüchtigten Kan, wo keine Gefahr unserer wartete; der Wirth, mit dem Gepräge eines vollendeten Spitzbuben, war allein und überrascht durch die Gegenwart Bewaffneter, die ihm Vergeltung schuldig waren für seinen Antheil an dem Auflaufe vor wenigen Tagen, - konnte er seine Verlegenheit nicht verbergen. Aber wir waren Deutsche und Rache unedel!

Durch einen Paß zwischen waldigen und felsigen Bergen, stets aufsteigend, gelangten wir zu den drei Kans und hier, in einer schauerlichen und waldigen Felsschlucht, befindet sich das Hermäum Laconiens, ein furchtbares Defilee. Wir traten nun in die von Anacreon besungenen Gefilde der Schäfer, in die durch Theokrit gefeierten Landschaften Arkadiens. Und Du, unsterblicher Sänger der schönen Natur und der Tugend, Du vollendetes Muster eines edeln Bürgers von Zürich, auch Du lebtest in Arkadiens ewig schönen Fluren, als Dein reines Herz sich in den Idyllen ergoß, die Du für die Ewigkeit geschrieben!

Seid mir gegrüßt, Gebüsche Arkadiens! Land von Göttern geliebt! Berge, der Dreaden13 Aufenthalt! reizende Thäler der Hirten! duftende Matten, auf denen Pan, die Dryaden14 und die Nymphen tändelnd spielten, bei bucolischen Gesängen voll Unschuld! und ihr dunkle Haine, die mit geheimnißvollem Schleier Diana15 und ihr feutches Gefolge umhüllten! seid mir gegrüßt! Und: „auch ich habe in Arkadien gelebt!“

Allmählig führt der Fußsteig hinab, zwischen einem schönen Eichenhaine zur Linken und am Fuße hoher Bergkämme, zu einem Nebenflusse des Alpheus, der den Fuß eines Berges bespült, auf welchem der schlechtgebaute Flecken Londari liegt. Dieser Ort war sehr zerstört und wird von einem in Ruinen liegenden Schlosse der Venetianer im Westen dominirt; unfern liegt das Schlachtfeld von Leuctra. Die Gegenden am Alpheus und dessen Nebenbächen, welche schöne und gut angebaute Thäler bewässern, bildten sonst den Distrikt von Stenyclaros.

Bei Fortsetzung unser Weges, der längs Bruchstücken einer alten, gut gepflasterten Strasse führt, - stiegen wir in das herrliche Thal des Alpheus, jetzt Rufia genannt, hinab und bald gelangten wir durch schöne Fluren an den Fuß des Gebürges Ogdani, einer waldigen Felsenkette, die den Alpheus, entspringen läß´t. Nachdem wir sie überstiegen hatten, wozu wir alle Kräfte anwenden mußten, erfreute uns jenseits das in der Tiefe liegende, reizende Thal des Capo-Livado, der einen sumpfigen See bildet, unfern eines kleinen Dorfes, welches am Fusse des genannten Gebürges liegt. Hier wurde gerastet und freundlich leuchteten die himmlischen Lichter auf ihrer geheimnißvollen Bahn, den Himmelsdom umsreisend, - wir lagen im Freien, denn in den elenden Hütten war der Plage zu viel. Früh begrüßten wir den kommenden Morgen, denn die Hauptstadt war nahe. Nach einer Viertelstunde traten wir in das Thal des Baches Marmaria, eines andern Nebenarms des Alpheus, über dessen Ufer des Allgütigen Hand den bezauberndsten Reiz ausgegossen hatte. Eine Felsenkette trat uns in den Weg, aber sie übersteigend, gelangten wir bald in das Thal von Tripolitza und nach einer Stunde zogen wir in diese Stadt ein.

Tripolitza liegt eigentlich auf einem Plateau, welches im Sommer durch Dürre und im Winter durch einen ziemlich starken Frost heimgesucht wird, rings umgeben von hohen, fast ganz nackten Felsen. Die Citadelle liegt am sanften Abhange eines Hügels, von dem sie dominirt wird, ist klein und so wie die übrige Befestigung der Stadt, - welche in einer mit Schießscharten versehenen Mauer und kleinen Rondelen, ohne Graben, besteht, - sehr baufällig. Auf den Werken befinden sich nur wenige Stücke, wovon die meisten ohne Laffeten umherliegen. Nur von Türken kann ein solcher Platz für fest angesehen werden und wirklich boten sie darin fünf Monaten den Griechen Trotz, welche aber vom Angriffe der Festungen keinen Begriff haben. Die Stadt ist schlecht gebaut, in Form eines Vierecks, voller Schmuz und übeln Geruchs; von den Ruinen des Nahegelegenen, einst so berühmten Te- gea´s, finden sich Fragmente bei Fontainen, in Moskeen und Privatgebäuden.

Nach der Einnahme dieses Platzes, der sehr durh das letzte Bombardement (1821) gelitten, beschäftigte sich das Gouvernement mit Erbauung einer Kirche vor dem Thore, welches nach Argos führt und durch welches die Griechen, nach Ersteigung der unbewachten Mauer, siegend einzogen. Dieses glückliche Ereigniß sollte durch ein solches Monument verewigt werden; allein es fehlte, wie gewöhnlich, das Geld, und so unterblieb eine Arbeit ohne Geschmack noch Kunst, zur unpassendsten Zeit begonnen; denn Waffen waren nöthiger, den goldenen Frieden zu erkämpfen!

Wie einst zur Eroberung Troja´s sich alle Stämme Hellas verbanden, so sah man in den letzten Zeiten die Völker Morea´s vor die Thore Tripolitza´s ziehen, dem Sitze des von Hyänen umgebenen Tyrannen. Vergeblich hätte man unter den Heerführern (Capitano´s) einen gebietenden Agamemnon, einen Helden, wie Achill, einen kühnen Ajax, einen Weisen wie Nestor und einen listigen und biegsamen Ulysses gesucht. Zwar waren Colocotroni, D. Ypsylanty und andere Häuptlinge, jedoch keine ihrer Handlungen verrieth Kopf und Herz.

Jener war in der Jugend in Diensten eines Englischen Corps, von Ausländern und vorzüglich Griechen gebildet, wo er Gelegenheit hatte einen Begriff von Taktik sich anzueignen, den er, begünstigt durch die Lokalkenntniß Morea´s, meisterhaft bei seinen Räubereien zu benutzen wußte; denn dieses, in Griechenland ehrenvolle, Gewerbe, machte ihn zum Besitzer von zwanzig Millionen Piaster (den Piaster zu zwei und zwanzig und einen halben Kreuzer,) die er wohl verwahrt, in der Bank von Zante angelegt hat. Durch so ungeheure Mittel konnte er seine Gefährten, - von denen er sich nur durch seinen reichern Anzug und herrlichern Waffen unter- scheidet, - besolden; - denn Geld ist hier der Thermometer der Macht. Die große Beute, welche dies Chef bei Eroberung Tripolitza´s machte, welches in seinen Mauern nur reiche Besitzer schöner Ländereien und unumschränkt herrschende türkische Beamte sah, die vom Mark des Landmanns sich nährten, - und die Verbindung mit Bobolina, jener patriotischen Frau von Spezzia, welche ihre großen Reichthümer, durch die Verheirathung ihrer einzigen Tochter an den Sohn Colocotroni´s, zur Disposition des Vaters stellte, - haben seine Streitkräfte bis auf die zahl von neun tausend Bewaffneten gebracht. Wirklich ist Colocotroni jetzt in Morea Chef der Revolution, über sich Niemanden erkennend, ausser seinen Heiligen und Gott!

Die moderne Seeheldin Bobolina, ist eine Frau von vierzig bis fünfzig Jahren, ein wenig stark und ohne interessante Züge in ihrer Gesichtsbildung. Als man in Constantinopel, zur Zeit des Aufstandes in der Moldau und Wallachei, ihren Gemahl, der sich in merkantilischen Angelegenheiten dorthin begeben hatte, ermordete, - denn er war sehr reich, - so entbrannte seine theure Lebensgefährtinn vor Rache: sie rüstete acht Schiffe aus und schloß damit Napoli di Romania von der Seeseite ein. Auch bei der Eroberung Tripolitza´s war sie zugegen, um sich ihren Antheil an der Beute zu fordern.

Bei meinem Aufenthalte in diesem öden Orte, habe ich Gelegenheit gehabt, diese neuere Jeanne d´Arc zu sehen. Sie ritt, als Amazone, ein schönes arabisches Pferd und war mit reichen Pistolen und einem kostbaren Säbel bewaffnet, umgeben von einem Haufen Bewaffneter, welche, wie Windhunde eines gestrengen Landjunkers, nebenher liefen und die Luft von Freudengeschrei ertönen liessen. Wenn man diese moderne Seeheldin mit der Jungfrau von Orleans vergleicht, so thut man unrecht; denn Privatrache entflammte die Griechinn, hohe Begeisterung und Vaterlandsliebe aber die Jungfrau von Domremy, wie Schillers unsterbliche Muse sie unvergleichlich besungen, was auch Laune und unreiner Sinn bisher dagegen gesagt haben mögen.

Aus fernen Gegenden waren zu dieser ersten Unternehmung der neuern Hellenen Männer herbei geeilt; gebildet war ihr Geist und stark ihr Arm. Die Blume dieser ritterlichen Schaar war der Englische Obrist Gordon, gekannt unter allen Himmelsstrichen durch seine Talente, seinen Heldenmuth und sein edles Herz; in ihm vereinigten sich alle Tugenden der Helden von Troas und er hatte keine Fehler. Seine grossen Hülfsmittel bot er auf die uneigennützigste Art von der Welt, dem mittellosen Senat an; bezahlte die Offiziere und Soldaten und brachte die, von ihm dirigirte Artillerie, die Belagerten, denen schon der Hunger furchtbar wurde, zur höchsten Verzweiflung. Diese schickten sich auch bald zur Capitulation an und Sorglosigkeit bemeisterte sich der Türken, da die Unterhandlungen abgeschlossen waren. Kaum aber merkten dieß die Mainotten, so drangen sie in ihre Chefs, so wie auch die Moreotten on Colocotroni, die Stadt zu erstürmen; denn ihnen lüsterte die Beute, und ihre Führer, gleichen Sinn theilend, stimmten freudig ein. Am Thore, welches nach Argos führt, befand sich zur Bestreichung der Strasse, ein Rondel mit sehr verfallenen Schießscharten und ganz unbewacht; durch diese Oeffnungen, welche nicht mehr als neun Fuß über dem Horizont angebracht sind, gelang es vier entschlossenen Griechen, begünstigt durch die Schatten der Nacht, in die Stadt zu steigen und gefolgt von andern eröffneten sie das besagte Thor, in welches die schon versammelten Griechen hineinstürzten. Außer jenen unglücklichen Schwarzen, von Barbaresken auf den Märkten von Coron und Modon verkauft, wurde alles, was den Propheten Mahomet anbetet, ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts, niedergehauen und nur Wenigen gelang es, sich den Messern der wutenthbrannten Griechen zu entziehen, um in Zukunft die Fesseln der Sclaverei zu tragen. Warum aber schonte man die Unglücklichen Afrika´s? war es Eigennutz oder christliches Gefühl des Mitleids? Zur Ehre de Griechen glaube ich das Letztere.

Zum Morde gesellte sich der Raub und das Feuer, den Aufenthalt unbarmherziger Muselmänner zu vertilgen. Unter so mannigfaltigen Gräuelscenen, die stets im Gefolge des Krieges sind, will ich nur einer hier gedenken, welche den stoischen Muth eines türkischen Großen beurkundet. Er war gekannt als ein sehr reicher Mann und dieß schon Veranlassung genug, einem Anfalle Beutelustiger ausgesetzt zu seyn; dies voraussehend, wollte er den Griechen zuvorkommen und sogleich lagen die Köpfe seiner Frauen und Kinder blutend zu seinen Füssen, während im nächsten Augenblicke seine Hand die Vernichtung in seine Wohnung trug. Mitten in den Flammen rief er nun mit furchtbarer Stimme den Anfallenden entgegen: „ihr sollt weder meine Frauen, Kinder, Schätze, noch mich selbst haben!“ worauf er sich die Brust mit dem Dolche durchstach, bald von den Flammen zu Staub verwandelt. – Vergeblich sind bis jetzt alle Versuche gewesen, die Reichthümer unter den Trümmern und in Brunnen versteckt, hervorzufinden.

Zwar suchten die Befehlshaber die Wuth ihrer Soldaten zu bekämpfen, allein nur nach mehrern Tagen ruhte der gräßliche Würgengel. Die wenigen Franken, umgeben von Tod und Verwüstung, beurkundeten ihr Herz und ihre Religion, schützend den Schwachen und Wehrlosen; ein Werk der christlichen Liebe, welches ihnen eben nicht den Beifall der mordlustigen Griechen erwarb. Ein französischer Offizier rettete so, mit eigner Lebensgefahr, ein junges türkisches Mädchen aus den Händen der Barbaren, welche schon das mordende Eisen gezuckt hatten. Die hohe Achtung, welche die Franken durch ihre gute militairische Haltung unter den Griechen sich erworben hatten, und fünfzehn Piaster, welche die scheußliche Horde für die Kleidung der Unglücklichen gefordert hatte, retteten diese vom nahen Untergange. Späterhin ist diese junge Türkinn mit ihrem großmüthigen Beschützer in Marseille angekommen, wo sie im christlichen Glauben unterrichtet, auf öffentliche Kosten eine ausgezeichnete Erziehung empfängt.

Die nach und nach aus ihren Schlupfwinkeln hervorgeholten Türken erwartete ein noch gräßlicheres Loos, als der Tod: man sperrte sie in ein Gefängniß, wo sie mit dem Hunger um ihr Leben rangen; und als sich bald darauf eine Schreckenspost in der Stadt verbreitete von der Erscheinung der türkischen Flotte vor Navarin, so schlachtete man täglich einige dieser Gefangenen. Ich habe oft diese Unglücklichen jammern hören, Schaudern ergriff mich, um so mehr, da ich nicht helfen konnte.

Wir sahen noch viele der Schlachtopfer des Sturmes, gräßlich verstümmelt, in den Strassen umherliegen, welche pestilenzialischen Geruch verbreiteten und der Gesundheit Gefahr drohten; Ursache genug für uns, das Freie zu suchen.

Durch eine Ebene, welche ziemlich angebaut war, zieht der Weg am Fusse von steilen Bergen, nachdem man zur Linken zwei Dörfer, - auf dem Abhange eines Berges erbaut, - und zur Rechten, in der Höhe der letztern, einen Kan hat liegen lassen. Eine halbe Stunde hinter diesem muß man jene Felsberge ersteigen, von deren Kuppe ein sehr schmaler, gepflasterter Weg, - zu dessen Rechten ein furchtbarer Abgrund dem Wanderer Grausen entgegen gähnt, - durch eine enge Bergschlucht in ein gut angebautes Thal hinabführt. Dieß ist ein starkes Defilee, sehr gut geeignet die Hauptstadt von dieser Seite zu decken. Die Thalebene durchziehend, welche durch künstliche Leitungen eines Baches gut bewässert wird, Führt der Weg bald ansteigend nach dem Kan von Arni. Dieses Dorf liegt am Abhange von hohen Bergen in einer flachen Felsschlucht, zwischen Olivenbäumen versteckt, in des- sen Nähe sich das berühmte Schlachtfeld von Manthinea befindet, wo der große Epaminondas, als Sieger sterbend, den Hochmuth der Lacedämonier beugte.

Aufwärts führt der Weg auf eine freie Höhe des Berges Chaon zu einem Kan, von wo aus man die Ebne des Inachus, den Golf von Napoli di Romania mit seiner gleichnamigen Festung, und jenseits desselben Argolis übersieht. Nur wenige Standpunkte können so angenehm das Auge überraschen, als dieser hochgelegene Kan, wo wir beschlossen unser Nachtlager zu halten.

Wer Polens Dorfschenken, - wo Söhne des Stammes Juda den schmutzigsten Wirth von der Welt machen, - und Spaniens Venta's gesehen hat, kann sich einen Begriff von diesen Kan's machen. In eine Räuberhöle glaubt man ver feßt zu seyn, führt der Wirth den Gast in das dunkle Wohnzimmer. Dieß ist eine der Abtheilungen des von vier unbekleideten Mauern umschlossenen Raumes; mit natürlichem Fußboden, ohne andere Decke, als das Dach, unter welchem gefiederte Gäste ihren Zufluchtsort nehmen, winkt ihnen die Nacht. An Fenster ist gar nicht zu denken, das find Luxusartikel ; jedoch weiß man hier nichts von Fenstersteuern. Durch Zufall oder besser durch die Zeit, haben sich einige Ziegel vom Dache gelöst und nur allein durch diese Oeffnungen dringt das Licht des Tages, um sodann die neugierigen Blicke nach Dingen der Bequemlichkeit forschen zu lassen. Aber nur vier vom Rauche mit Ruß überzogene Mauern und einen auf ebnem Boden gelegenen Aschenheerd entdeckt der Späher, welcher mit Grausen diese Höle verläßt, um im Freien froher zu athmen, denn Innen hausen Plagegeister der Nacht mit furchtbarem Gebisse, und das Vieh in der andern Abtheilung betäubte durch eintöniges Geschrey die Sinne. Auch wir nahmen den Himmel zur Decke und empfahlen und Gott.

Kaum schwanden die Schatten der Nacht, als vor unsern Tritten in dem Gebürge die nahen Felsen widerhallten; unser Tritten in dem Gebürge die nahen Felsen widerhallten; unser Weg senkte sich, an Quellen vorbeiführend, die ihr chrystallhelles Wasser in ein Thal schicken, welches der Kephalo-Vrisi (der alte Erasinos) bei Regenwettern und im Winter durchdonnert. Dieser Gebürgsbach, der als Abfluß des durch Herkules bekannten Stymphalischen See´s16, einige Zeit unterirdisch seinen Lauf fortsetzt, schadet der Ebne von Argos, welche ausserdem schon sehr durch die Verwüstungen des Inachus leidet. Sie ist eines guten Anbaues fähig und war im Alterthume durch ihre schönen Pferde bekannt.

Argos, einst sitz des Königs der Könige, hat nicht die geringste Spur mehr von seinem ehemaligen Glanze; schlechte Häuser stehen regellos umher, wie gesä´t; die Strassen sind ohne Pflaster, voller übeln Geruches und die öffentlichen Plätze Misthaufen. Von den Mauern, welche einst die Namen des Argonauten Jasson, und Agamemnons17 wiederhallten; von jenen berühmten Thoren der Sonne und Lucina, durch welche die Heroen ihren Einzug feierten, - sieht man keine Spuren mehr. Schon zu Julians Zeiten sang das Ansehen dieser Stadt, so daß es die Kosten zu den Isthmischen Spielen und zur Unterhaltung der öffentlichen Gebände nicht mehr betreiben konnte, und die folgende Zeit der Barbarei verwischte fast alle Spur. Sie liegt am Fusse eines Bergrückens und in einer weiten, oft morastigen Ebne, eine Stunde vom Golf von Napoli di Romania und am Ausgange des Defilee´s von Corinth nach Napoli; zwey Stunden weiterhin liegt ihr Hafen an obigem Golf und am Lernäischen Sumpfe, wo der Sage nach, Herkules18 die Hyder getödtet haben soll. Der Ort besteht nur aus einigen Magazinen und mehrern Mühlen, daher rührt sein alter Name Myli oder Moulins. Nahe dabei liegt auf einem steilen Berge die Ruine vom Alten Amymone.

Ueber Argos, auf einem steilen Berge liegt ein festes Schloß in Ruinen; Danaus legte dazu den Grund und noch jetzt sieht man darin eine der ältesten griechischen Inschriften. Zwischen dieser Burg und der Stadt, am Abhange des Berges, lag sonst der Tempel der Juno-Aerea19, jetzt in das Kloster Catechumeni verwandelt. An der Stelle jener Göttinn verehrt man jetzt die heilige Jungfrau von Argos. Die Spuren eines Amphitheaters finden sich am Fusse eben desselben Berges, im Süden.

Napoli di Romania, welches nur zwei kleine Sunden entfernt ist, hatte zu viel Interesse für uns, als daß man diesen Waffenplatz Morea´s so unbemerkt hätte am Wege liegen lassen können. Dieser Ort, der einst Türken, - die vom Lande aus ihn einschlossen, - sieben und dreissig Jahre zu schaffen machte, ist von den Venetianern befestigt, wobei sie einen Felsen von der Trete bis am Fusse geschickt zu benutzen wußten, um eine der ersten Festungen zu schaffen. Die Stadt, längs dem Ufer des Meeres erbaut, ist nach alter Art befestigt und wird von jenem Felsen, - dessen Krone das Fort Palamidi bildet, - der mit Feuerschlünden bespickt ist, beherrscht. Zur Deckung des Hafens dient ein Fort auf einem isolierten Felsen im Meere, das sogenannte Wasserfort. Die Lage der Stadt, in geographischer und mercantilischer Hinsicht, ist zu wichtig für Griechenlands Freiheit; daher suchte man sie eng einzuschliessen, um sich ihrer, zwar nicht auf dem Wege der Kunst, aber durch Hunger zu bemächtigen; die beste der Angriffsarten fester Plätzer, hat man Truppen genug: jedoch man verliert an Zeit und jeder Augenblick ist für die griechischen Angelegenheiten von der höchsten Wichtigkeit!

Bei unserer Rückkehr nach Argos beeilten wir uns mit dem Nöthigen zur Fortsetzung unsers Marsches nach Corinth. Den nächsten Morgen überschritten wir, nahe Argos, den Inachus, gegen dessen verderbliche Ueberschwemmungen die Einwohner sich durch eine starke Mauer sichern, welche sie längs seinem rechten Ufer aufgeführt haben und sorgfältig unterhalten. Dieser ephemere Bach heißt jetzt Planitza und stürzt vom Berge Parthemius (Arthemisius) in die weite Ebne hinab. Nach einem Wege von zwei Stunden waren wir bei´m Kan von Caravathy, am Fusse des Gebürges Tricophora angekomen. Am südwestlichen Abhange der Bergkette lag einst die Burg und Stadt Mycene. Der Ort, wo sich die Ruinen dieser, schon zwei und zwanzig Jahrhunderte vor Christi Geburt blühenden Königsstadt befinden, heißt ebenfalls Caravathy. Des Schicksals unerbittlicher Spruch „gewesen“ ist auch über diese, einst mächtige, Residenz der Könige von Argolis ergangen und nur wenige Spuren verkünden ihren ehemaligen Glanz. Die beiden, zehn Fuß hohen, Löwen am Eingange der Acropolis , sind mit der, zwischen ihnen liegenden Säule aus einem ungeheuern Steine gemeisselt und flößen noch jetzt Bewunderung ein. Im Innern der Burg findet man zwei schön ausgemauerte Brunnen aus dem Alterthum, und in der östlichen Mauer, welche den Umfang bildete, erkennt man im Fundamente zwei Ordnungen cyclopischer Construktion, welche sich nur durch die Grösse der Steine von einander unterscheiden. Zwei Gräber sollen die Ueberreste des Aegist und der Clytemnestra, Gemahlinn Aga- memnons, enthalten, jedoch diese Meinung ist wohl irrig. Vor dem Löwenthore zeigte man uns bei einer Capelle das Grabmahl des Pelops. In der, unter der Acropolis liegenden Stadt, fesselt die Aufmerksamkeit des Reisenden das unterirdische Begräbniß der Regenten von Mycene, in welchem jetzt, o Wechsel der Dinge! – eine Heerde Schafe Obhut findet; ein warnender Wink der Vorsehung an irdische Götter von Gottes Gnaden, welche nur ihren Willen als Gesetz erkennen wollen!

Der Weg nach Corinth war noch zu Pausanias Zeiten für Wagen fahrbar, jetzt würde man davon vergeblich eine Spur suchen und selbst im Defilee von Trete finden Reiter Schwierigkeiten. Dieser Paß ist ungefähr eine Stunde lan und wird von den Gebürgen Tricophoro und Combiki gebildet; in seiner Nähe liegen die Säulen oder die Reste des Jupiter-Tempels20 von Nemea21 im Gebürge, zur Linken des Weges eine Viertelstunde vom Kloster St. Georg. – Tritt man aus dieser Schlucht heraus, so genießt man bald der schönsten Aussicht; vor uns lag stolz und drohend die Burg von Corinth; mehr zur Linken der Golf von Lepanto, den einst Corinths mächtige Handelsflotten deckten, am fernen Horizonte durch hohe, blauumschleierte Gebürge bekränzt, und zu unsern Füssen die Herrliche Ebne, überdeckt von den schönsten Oliven- und Orangenhainen, welche mit üppigen Weinhügeln untermischt waren. Durch diese Ebne führte der Weg nach Corinth.

 

 

1) Der Herr A. v. L. wird hier redend eingeführt.

2) Die der Aufklärung; mit dem Handel im Mittelländischen Meere traten die Griechen mit civilisirten Völkern in Berührung; sie suchten auch auf ihren Eilanden nach und nach den Musen eine Freistätte zu erreichen, besonders auf Chio, dem Vaterlande des unsterblichen Sängers der Iliade und Odyssee, wo eine gewisse Freiheit herrschte.

3) Grazien oder Charitinnen, Göttinnen der Anmuth.

4) Gott der Wälder, Vorsteher der Hirten und Jäger.

5) Gott der Sonne, Aerzte, Arznei- und Wahrsagerkunst, Dichtkunst und Musik, Regierer des Sonnenwagens.

6) Musen, Pierinnen, Kamönen, Kastalinnen, waren Göttinnen der schönen Künste.

7) Jene Helden aus der Sagengeschichte Griechenlands, welche zuerst das offene mehr befuhren, um das Colchis (jetzt Mingrelien) das goldene Fließ zu holen, welches dort im Haine des Mars aufgehängt war.

8) Ein geflügeltes Roß, von Neptun und der Gorgone Medusa erzeugt.

9) Hippokrene, Musenquell, durch einen Hufschlag des geflügelten Pegasus entstanden; wer daraus trank, wurde begeistert.

10) Gott der Winde.

11) Neptun oder Poseidon, Gott des Meeres und der Inseln.

12) Bacchus, Gott der Fruchtbarkeit, des Weins, Erfinder des Weinbau´s.

13) Dreaden, Nymphen der Berge und vornehmsten Jagdgefährten Dianens.

14) Dryaden, Nymphen der Wälder und selbst einzelner Bäume, besonders der Eichen.

15) Diana, sie ist am Himmel die Göttin des Mondes und auf Erden die Göttin der Jagd.

16) Nördlicher in der höhern Region des Schäferlandes Arkadien gelegen, von unfreundlichen Bergen umgeben, gleichsam ein kleiner Gebürgskessel.

17) Agamemnon war König von Argos und Mycene, und wurde zum Oberhaupt der ersten kriegerischen Unternehmung zu Lander erwählt. Wer erinnert sich nicht seiner Tochter und der schönen Oper Iphigenie in Aulis?

18) Herkules gilt für einen Gott der Stärke, Tapferkeit und männlichen Tugenden. Die lernäische, vielköpfige Hydra verheerte das Argolische Gebiet; diese erlegte Herkules, so auch den ungeheueren Krebs, welcher während des Kampfes aus dem Sumpfe kroch und ihn von hinten anfiel.

19) Juno, Here oder Hera, Vorsteherinn der Reiche, Reichthümer und Ehen.

20) Jupiter war Gott des Himmels, Vater der Götter und Menschen.

21) Nemea ist wegen der Nemeischen Spiele berühmt, welche alle fünf Jahre gehalten wurden; die Sieger erhielten einen Epheukranz. – Nahe bei diesem Orte erwürgte Herkules einen ungeheuer großen Löwen, der Schrecken der Gegend umher.